Bewegungswissenschaft
Interviewreihe - Eine Fakultät stellt sich vor #1"Sport und Bewegung als ganz besonderer Teilbereich des Alltags ist wegen der Körperlichkeit etwas Besonderes..."Interview mit Jan Schröder, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Bewegungswissenschaft
30. Juni 2020, von Webmaster PB

Foto: Wohlfahrt/UHH
In der neuen Interviewreihe "Eine Fakultät stellt sich vor" stellen wir ab sofort jeden Monat einen Mitarbeiter unserer Fakultät PB vor, der mit uns seine neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse teilt, aber auch aktuelle gesellschaftliche Themen mit uns erörtert.
Herr Schröder, Sie haben an der Universität Hamburg studiert, promoviert und sind bis heute am Institut für Bewegungswissenschaft tätig. Was gefällt Ihnen besonders an unserem Institut?
Die Verknüpfung von akademischem Forschen und Lehren mit dem anschaulichen und haptischen Feld der Bewegung hat einen besonderen Reiz. Sport und Bewegung als ganz besonderer Teilbereich des Alltags ist wegen der Körperlichkeit etwas Besonderes – außerdem ist der Sport-Campus in Hamburg mit seinen relativ wenigen Studierenden eine Augenweide. Die zentrale Lage des Instituts für Bewegungswissenschaft im Herzen der Stadt ist etwas Wunderbares. Und wenn man dann noch die dazu gehörigen Liegenschaften des Ruder- und Segelbootshauses kennt, dann ist das nochmal eine exponentielle Steigerung der Attraktivität der Bewegungswissenschaft in Hamburg.
Wo liegen Ihre Forschungsschwerpunkte?
Ich habe trainingswissenschaftliche und medizinische Hintergründe, was mich zum Beforschen von bewegungstherapeutischen Interventionen gebracht hat. Insbesondere biomechanische Untersuchungsinstrumente wie die Videorasterstereographie und mechanomyographische Verfahren fließen in Dosiswirkungsanalysen z.B. bei Belastungs- und Regenerationsstudien ein – das reicht von Rückenschmerzen und Faszientraining bis in den (sportlichen) Alltag der Allgemeinbevölkerung (z.B. Jogging und Neurodegeneration).
Die wissenschaftlichen Erfahrungen mit der ‚Wirbelsäulenvermessung’ (Videorasterstereographie) kommen auch der Allgemeinbevölkerung zu Gute – jeder Interessierte kann über das am universitären Institut angeschlossene ISB e.V. Vermessungen der eigenen Wirbelsäule machen lassen, z.B. zum Skoliose-Screening oder bei sportorthopädischen Fragestellungen. Durch Forschungskooperationen mit dem BG Klinikum in Hamburg-Boberg kommen unsere Studienergebnisse auch der Versorgungsforschung der Stadt Hamburg zu Gute.
Wie würden Sie Studieninteressierten raten, die ein Studium der Bewegungswissenschaft in Betracht ziehen?
Das Studium der Bewegungswissenschaft darf nicht verwechselt werden mit „Ich lerne viele Sportarten“. Aber natürlich gehört Sport „lehren lernen“ und die Eigenrealisation dazu. Neben den oben angesprochenen Qualitäten des Standorts möchte ich auch die Vielfalt der Forschungsausrichtungen an unserem Institut als Empfehlung für unser Institut anführen. Klassische sportmedizinische und trainingswissenschaftliche Lehrangebote und Forschungsfelder stehen gleichbereichtigt neben sozialwissenschaftlichen und pädagogischen Arbeitsfeldern; und für die Gesundheitswissenschaften wurde erst jüngst die gesamte LehrerInnen-Ausbildung an unser Institut geholt. In naher Zukunft werden vier Professuren neu besetzt sein, sodass sich auch hierdurch ein „Wums“ im Sinne des Aufbaus neuer Forschungsfelder am Institut für Bewegungswissenschaft bemerkbar machen wird. In Kürze ist damit zu rechnen, dass der Studienkompass auch für unser Institut online aufzurufen sein wird. Da sollten Studierende oder Interessenten auf jeden Fall reinschauen.
In einer aktuellen Publikation untersuchen Sie genauer die Frage, ob „Frau“ durch das Tragen von High-Heels ein Hohlkreuz bekommt und Rückenschmerzen somit begünstigt werden. Können Sie uns hierzu ein wenig mehr erzählen und besonders spannend, wie sah dazu Ihre Datenerhebung aus?
Die High-Heel-Studie ist ein gutes Beispiel für die Verankerung der Bewegungswissenschaft im Alltag der Bevölkerung – die Probandinnen haben wir auch über Zeitungsinserate erreicht. Fast 40 Frauen haben sich gefunden und konnten für die Studie inkludiert werden. In der Tat konnten wir mit dem ‚populärwissenschaftlich verbreiteten’ Vorurteil aufräumen, dass das Tragen von High-Heels zu einem Hohlkreuz führen muss, auch wenn die wissenschaftliche Diskussion dazu immer noch nicht abgeschlossen ist. Mit der Videorasterstereographie können wir im Stehen und im Gehen ohne den Einsatz ionisierender Strahlung die Beckenstellung und die Wirbelsäulenform erfassen. Dazu würde ich gerne auf ein Video der Uni Hamburg bei YouTube hinweisen, wo die Methode vorgestellt wird.
Zur Person
Jan Schröder studierte Sportwissenschaft und Lehramt (Oberstufe Berufliche Schulen: Erziehungswissenschaften, Gesundheit & Sport) und promovierte 2012 zum Thema Unspezifische Rückenbeschwerden und Entwicklung einer individuellen auf biomechanischen Befunden basierenden Trainingstherapie in den Abteilungen Bewegungs- und Trainingswissenschaft & Sport- und Bewegungsmedizin an der Universität Hamburg. Nach seiner Promotion war Schröder weiterhin als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bewegungswissenschaften tätig und ist seit 2020 im Arbeitsbereich Sport- und Bewegungsmedizin und Gesundheitswissenschaften der Universität Hamburg angesiedelt.