Bewegungswissenschaft
Interviewreihe - Eine Fakultät stellt sich vor #4„Der Titel „Global Active City“ ist eine einzigartige Auszeichnung für Hamburg und die enge Zusammenarbeit mit unserem Institut die ideale Umsetzung von Wissenschaft in der Stadt!“Interview mit Prof. Dr. med. Rüdiger Reer, Stellvertr. Sprecher des Instituts für Bewegungswissenschaft
30. September 2020, von Webmaster PB

Foto: Wohlfahrt/UHH
Herr Reer, seit über 20 Jahren sind Sie nun am Institut für Bewegungswissenschaft tätig. Wie würden Sie die Entwicklung des Instituts beschreiben, die Sie maßgeblich mitgeprägt haben?
Das Institut für Bewegungswissenschaft hat in den letzten 20 Jahren eine äußerst positive Entwicklung vollzogen. Auf Basis der Evaluation einer fachbezogenen externen Beratungskommission im Jahre 1998 wurde der strukturelle Grundstein für ein äußerst gut aufgestelltes Institut für Bewegungswissenschaft gelegt, das damals als Blaupause für die sportwissenschaftliche Landschaft in Deutschland diente. Das Institut wurde in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt und umfasst nun mit seinen 6 Arbeitsbereichen (Bewegungs- und Sportpädagogik, Bewegungs- und Trainingswissenschaft, Gesundheitswissenschaft, Kultur, Medien und Gesellschaft, Sport- und Bewegungsmedizin sowie Theorie und Praxis der Bewegungsfelder) die gesamte interdisziplinäre Bandbreite der Bewegungswissenschaft. Zusammen mit der gut ausgestatteten Infrastruktur des universitären Sportparks in Bestlage im Stadtteil Rotherbaum sowie dem Segelsteg und Ruderbootshaus in unmittelbarer Alsternähe sind hervorragende Voraussetzungen für Spaß und Erfolg im Studium wie auch in der Wissenschaft gegeben.
Hamburg darf als eine der ersten Städte weltweit offiziell den Titel „Global Active City“ tragen. Können Sie uns kurz erzählen, welche Bedeutung dieser Titel für Hamburg hat und inwiefern unser Institut mit dem Project „Scientific Support Active City“ einen bedeutenden Anteil trägt.
Das Global Active City Programm wurde von der TAFISA (Welt-Breitensportverband) mit Unterstützung des IOC (International Olympic Committee) gegründet. Der Titel Global Active City wird durch eine unabhängige Evaluierungskommission nur an Städte verliehen, die qualitativ hochwertige Sport- und Bewegungsstrategien entwickelt haben und diese auch in die Praxis für einen aktiven und sportbetonten Lebensstil der Bevölkerung umsetzen. Den Titel „Global Active City“ führen zu dürfen ist eine einzigartige Auszeichnung für die Freie und Hansestadt Hamburg und zudem ein Beleg für die erfolgreiche Implementierung von Bewegung in den städtischen Kontext, da nur eine Stadt in Deutschland und nur sechs Städte weltweit diesen prestigeträchtigen Titel verliehen bekommen haben.
Der Senat der FHH handelt im Kontext Global Active City äußerst weitsichtig, da er für die Umsetzung und Evaluation der Wirksamkeit ausgewählter Projekte sehr stark auf die Wissenschaft baut. Dies zeigt sich darin, dass drei Hamburger Behörden (Behörde für Inneres und Sport / Behörde für Gesundheit / Behörde für Wissenschaft) im Arbeitsbereich Sportmedizin des Instituts für Bewegungswissenschaft in gemeinsamer Trägerschaft eine Wissenschaftlerstelle mit der Denomination „Scientific Support Active City“ für anfänglich drei Jahre mit der Möglichkeit der Verlängerung angesiedelt haben. Dies ist ein bis dato einmaliger Vorgang, zumal damit dem Arbeitsbereich Sportmedizin sowie dem gesamten Institut für Bewegungswissenschaft eine besonders enge Zusammenarbeit und ein förderlicher Austausch mit drei Hamburger Behörden ermöglicht wird. Besser geht aktive Umsetzung von Wissenschaft in die Stadt hinein nicht!
Was sind Ihre Forschungsfelder?
Meine Forschungsschwerpunkte beziehen sich insbesondere auf Bewegungstherapie bei internistischen und orthopädischen Erkrankungen, auf Leistungsdiagnostik sowie Kognition im Sport. Dabei ist für mich ein interdisziplinärer sowie anwendungsorientierter Forschungsansatz von besonderer Bedeutung. Diese Ausrichtung war Grundlage dafür, dass ich zur Zeit beispielsweise in Projekte mit Ausstrahlung in die Stadt Hamburg wie Scientific Support Active City involviert bin, aber auch in nationale und internationale Forschungsnetzwerk-Systeme wie Exercise is Medicine Europe sowie auch durch das Bundesministerium für Wirtschaft geförderte ZIM-Projekte. Letztere haben auch als Ziel, Forschungsaktivitäten zur Entwicklung innovativer Produkte, Verfahren und technischer Dienstleistungen zu fördern.
Im April 2021 dreht sich in Hamburg drei Tage lang alles um Sport, Bewegung und Gesundheit beim Sports, Medicine and Health Summit. Sie sind als langjähriger Generalsekretär des Deutschen Sportärztebundes (DGSP) an vorderster Front involviert, die Idee für dieses Format stammte größtenteils von Ihnen. Warum ist diese Veranstaltung so neuartig und wichtig?
Leitgedanke des Summits ist dabei, nicht allein die 49. Version des Deutschen Sportärztekongresses durchzuführen, sondern ein einzigartiges Format einer wissenschaftlichen Tagung zu schaffen, bei dem alle wichtigen Player, die etwas mit Bewegung, Medizin und Gesundheit zu tun haben, für 3 Tage zum wissenschaftlichen Austausch zusammen zu bringen. Dieses integrative Format umfasst national und international höchstrelevante Stake Holder:
- wissenschaftliche Fachgesellschaften aus Medizin, Sport(wissenschaft) und Gesundheit wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) oder die Deutsche Gesellschaft für Sportwissenschaft (dvs),
- international wichtige wissenschaftliche Fachgesellschaften, die das Fach Sportmedizin repräsentieren, und weltweit agierende sport- und medizinpolitische Verbände wie die WHO, das IOC u.a.,
- Active City unter prioritärer Beteiligung der FHH und last but not least
- das Forum Sport und Praxis mit anwendungsorientierten Themen aus dem Sport und der Sportwissenschaft -Vertreter für diesen Bereich sind u.a. der DOSB und der Hamburger Sportbund (HSB).
Diese zukunftsweisende Veranstaltung findet im CCH statt, Schirmherr ist der erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt, Herr Peter Tschentscher. Ich lade als Generalsekretär des Deutschen Sportärztebundes (DGSP) alle Mitglieder der Fakultät sehr herzlich ein, vom 22. bis 24. April 2021 am Sports, Medicine and Health Summit 2021 teilzunehmen. Weitere Infos finden Sie unter www.sport-medicine-health-summit.de.
Zur Person
Rüdiger Reer, dem ein Stipendium der Bayerischen Hochbegabtenförderung gewährt wurde, studierte zwischen 1983 und 1991 Medizin in Regensburg und Würzburg. Während seiner Studienzeit absolvierte er zudem mehrere Auslandsaufenthalte in Australien, Neuseeland und den Vereinigten Staaten. In den Jahren 1992 und 1993 war Reer als Arzt in Warendorf am dortigen Olympiastützpunkt sowie an der Sportschule der Bundeswehr tätig. Von 1993 bis 1996 hatte er eine Stelle als ärztlicher und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sportmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster inne. 1996 wechselte er in die Abteilung für Sport- und Bewegungsmedizin der Universität Hamburg und wurde dort stellvertretender Leiter. 2005 wurde Reer zum Juniorprofessor für Klinische Leistungsdiagnostik ernannt, 2008 übernahm er erneut die Stelle als stellvertretender Leiter der Abteilung Sport- und Bewegungsmedizin an der Universität Hamburg, 2009 wurde Reer Professor an der Uni Hamburg, 2010 übernahm er das Amt des stellvertretenden Sprechers des Fachbereichs Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg. 2010 wurde Reer Generalsekretär des Deutschen Sportärztebundes, der mit ca. 8000 ärztlichen Mitgliedern größten sportärztlichen Fachgesellschaft Europas und zweitgrößten der Welt.